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Action in der Reithalle der Stadt Gerolstein: Integrative Teilhabe am Pferdesport – ein Erfolgsprojekt in Gerolstein

Erstellt von Clara Zins-Grohé | |   Startseite gerolstein.org  Kernstadt  Wohnen & Leben
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Da der Pferdesport - wie kaum eine andere Sportart - Menschen mit Behinderung nicht  nur  Therapiemöglichkeit , sondern auch sportliche Bewegung  bietet, hat der Reitsportverein Gerolstein (unter Leitung der Vorsitzenden Hanna Timmermann, Reitlehrerin und Trainerin Karmen Buttler und Geschäftsführerin Tamara John-Würtz) ihr bisheriges  Angebot mit Erfolg ergänzt. Zweimal wöchentlich treffen sich Gruppen der Lebenshilfe und Westeifel Werke an sogenannten „Aktionstagen“ zum Training in der Reithalle Moßweg.

„Therapie und Förderung stehen dabei im Mittelpunkt – reiterliche Fähigkeiten sind eher nebensächlich. Jugendliche und Erwachsene mit körperlichen, seelischen und sozialen Beeinträchtigungen und deren  ganzheitliche Förderung - darauf liegt unser Augenmerk!“, so Hanna Timmermann.

Hanna Probst, Mitarbeiterin der Westeifel Werke begleitet die Gruppe. „Für mich persönlich ist es besonders schön, jede Woche bei jedem Teilnehmer Fortschritte zu sehen. Von Woche zu Woche wächst die Gruppe immer mehr zusammen“.

Eine der Gruppen besteht aus Vanessa, Doris, Adam, Heinz und Robin. Die Fünf starten ihren Tag im Reitstall mit gemeinsamer  Vorbereitung der Pferde und kleinen Arbeiten im Stall. Die Pferde Dundi, Herby und Freddy warten schon auf die fröhliche Truppe. Nach der Fellpflege werden erst Herby und Dundi aus den Boxen geführt und bekommen unter Anleitung von Reitlehrerin Karmen Buttler die Halfter angelegt.

Vorab hat die Trainerin mit einer Skizze die nun folgende, sogenannte Bodenarbeit genau geplant. Der Aufbau der einzelnen Parcours-Stationen wird von der Gruppe gemeinsam durchgeführt.  Ganzheitlich über alle Sinne spricht das  Konzept die Arbeit mit dem „Medium Pferd“ an.

„Dabei wird jeder ganz individuell betrachtet“ erklärt Hanna Probst die möglichen Ziele: „Wir wollen die Aufmerksamkeit, Konzentration und das Durchhaltevermögen verbessern. Auch das Sozialverhalten entwickelt sich positiv. Motorik und Gleichgewichtssinn verbessern sich ebenso wie Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit“. Alles in Allem erfolgt eine Förderung  emotional, körperlich, geistig und sozial.

Die Beziehung zu den  Pferden  spielt eine tragende Rolle. Beim RSV Gerolstein werden Pferde mit besonderen Fähigkeiten für diese Aktionstage eingesetzt, die durch ständiges Training zu sogenannten Therapiepferden ausgebildet werden. Sie zeichnen sich durch einen ruhigen, geduldigen, kontaktfreudigen, sensiblen Charakter aus und müssen in der Lage sein, trotz Lautstärke und für ihren Pferderücken völlig ungewohnten Bewegungen, ruhig zu bleiben. Die beiden vereinseigenen Schulpferde Herby und Dundi und das Privatpferd von Hanna Timmermann bringen solche Grundeigenschaften mit.  Vanessa schwärmt von dem stattliche Warmblut: „Freddy ist mein Lieblingspferd! - den hab ich lieb“, strahlt sie. Warum? „Weil er so groß ist“, lacht sie und streckt beide Arme soweit es geht nach oben aus.  Adam mag am liebsten den Haflinger Herby, möchte aber heute auch zum ersten Mal den riesigen Freddy reiten, der auch Favorit des  reiterfahrenen Robin ist. Doris hat das ungarische Pferd „Dundi“ besonders ins Herz geschlossen. Heinz würde am liebsten sofort losreiten: „Hopp Hopp Hopp Freddy. Wir holen den Pokal!“ ruft er durch den Stall.

Neben dem klassischen Reitunterricht gibt es viele alternative Trainingsmethoden, die Körpergefühl und Beweglichkeit des Reiters schulen und das Vertrauen zum Pferd fördern und einfach Spaß machen. Beispiele dafür sind: Sitzschulung auf Gymnastikbällen, der Einsatz von Franklin-Bällen beim Reiten, das Meistern von Pylonen-Parcours und Stangengassen, Falltraining auf Gymnastikmatten und vieles mehr.

 „Bewegungstherapie- Methoden möchten wir noch stärker in unser Angebot einbinden und benötigen dafür das entsprechende Zubehör für Reiter und Pferde: Gymnastikbälle, Pylonen, Dualgassen, Franklin-Bälle, Cavaletti-Stangen und Blöcke, Turnmatten. Eine Grundausrüstung konnten wir schon mithilfe von Spenden anschaffen“, berichtet Vorsitzende Hanna Timmermann dankbar. Insbesondere für unser Angebot für Menschen mit Behinderung benötigen wir aber weitere Ausrüstung. Hierzu gehört beispielsweise eine besondere sogenannte „Aufstiegshilfe“, die den Teilnehmern das Auf- und Absteigen unserer Pferde erleichtern soll. Auch ein spezielles Reittherapeutisches „Pad“, das sich von einem klassischen Sattel unterscheidet, soll in Zukunft unsere Aktionstage bereichern“.

Alle Schüler  werden bei den Übungen am Pferd mit eingebunden. Ein Pferd zu führen schafft Vertrauen und fördert das Selbstbewusstsein der Teilnehmer. Der direkte Kontakt mit den Pferden – an und auf dem Pferd lässt alle Gesichter – ohne Ausnahme - strahlen.

Karmen Buttler hat abwechslungsreiche Geschicklichkeitsspiele in Einzel- und Gruppensettings im Programm. „Heinz! In die Knie, sonst machen wir im Sommer Froschhüpfen draußen“ ermuntert sie lachend Heinz  zu tiefen Kniebeugen, bei denen er einen Ball  unter dem Kopf des Pferdes an Robin weiterreichen muss. Dann wird sich gestreckt und der Ball wandert über den Pferderücken der sanften Dundi an ihn zurück. In einer „normalen“ Turnstunde wären beide kaum zu so vielen Kniebeugen zu motivieren. Im Beisein von Karmen und Dundi geben sie alles.

Ein zweites Pferd wird schonend am langen Zügel durch Volontärin Iris Knof durch den Parcours geführt. Bei der nächsten Station müssen Pferd und Schüler über Hindernisse schreiten. „Und jetzt die Füße ganz Hochheben“, lautet die mit ruhiger Stimme ermunternde Anweisung der Trainerin. Alle sind ständig in Bewegung. Durch die Vielzahl von spielerischen Übungen sind die Muskeln aufgewärmt und für das Reiten vorbereitet.

„Man spürt die Lebensfreude und Dankbarkeit dieser Menschengruppe. Das macht einen selbst glücklich!“ kommentiert Werner Thiex, der ehrenamtlich als Instand-Halter in der Reithalle aktiv ist. Auch er hilft in diesen speziellen Übungsstunden mit und sorgt für gefahrloses Auf- und Absteigen der gesattelten Pferde. SICHERHEIT wird groß geschrieben.

Hanna Timmermann führt den Warmblüter Freddy an der Longe. Gestartet wird in der Gangart Schritt. Auf dem Pferderücken sitzt Robin. Der eher sonst introvertiert wirkende junge Mann, der immer ganz still ist, verwandelt sich in einen stolzen Reiter. Er sitzt kerzengerade und strahlt. Hanna unterstützt bei Bedarf und gibt mit ruhiger Stimme Instruktionen.  Alle  bewundern, wie er – ganz eigenständig -auch Trab und Galopp problemlos beherrscht. Ein Bild voller Harmonie zwischen Pferd und Reiter. Rein gar nichts erinnert in diesem Moment an Robins Einschränkungen.

Robins Kollegin Doris hat mit der vorhandenen  Aufstiegshilfe Dundi bestiegen. Nach einigen Beuge- und Streckübungen im Stand wird sie von Heinz mit Unterstützung von Reitlehrerin Karmen in einen Slalom-Parcours geführt. Man sieht, wie die Bewegungsimpulse des Pferdes von Doris Becken auf die Wirbelsäule übertragen werden. Ihr Bewegungsapparat pendelt sich neu ein. Man sieht, wie sie ein Gefühl für die Körpermitte entwickelt. Die Muskelspannung wird positiv beeinflusst. Schlaffe Muskeln spannen sich und die oft zu stark angespannte Muskulatur ihrer Hände entspannt sich sichtbar beim Streicheln des Pferdes. Ihre gesamte Haltung vor allem des Oberkörpers wird optimal geschult. Von Runde zu Runde verbessert sich ihre Balance.

 Alle sind eingebunden und in Bewegung. Die, die gerade nicht auf den Pferden reiten, übernehmen das Führen der Tiere bis wieder die Rollen getauscht werden. Vanessa reitet freihändig und bewegt dabei mit seitlich ausgestreckten Armen Wasserflaschen hoch und runter. Krafttraining für die Armmuskeln mit Spaßfaktor. Auch sie, ein richtiger Sonnenschein, sieht entspannt aus und steckt alle mit ihrer Fröhlichkeit an.

Fazit: Hier erlebt man Freude an Bewegung, soziale Integration, Einbindung und Spaß. Alle helfen sich gegenseitig. Die Zeit vergeht im Flug.

Heinz und Doris waschen nach Trainingsende eigenständig die Trensen aus. Zuvor benötigtes Putzequipment wird von Vanessa und Adam ordentlich weggeräumt.  Diese Situation, hat eine größere Bedeutung, als  man vielleicht auf den ersten Blick erkennt. Sie bedeutet, dass Selbständigkeit und Selbstbestimmung in Lebenssituationen erlernt werden muss. Die Wahrnehmung, dass etwas Bestimmtes erledigt werden muss, die Handlungsplanung dieser Aufgabe übernehmen zu wollen und auch zu können, dies alles fördert Handlungskompetenz und Selbständigkeit.

Der rein ehrenamtlich geführte  RSV Gerolstein zeigt vollen Einsatz, um  solche erlebnispädagogischen Reitprojekte anbieten zu können. Der Vorstand mit Hanna Timmermann, Michaela Leonards, Jochen Leonards, Heike Greff, und Tamara John-Würtz leistet eine vorbildliche Arbeit, um Menschen in psychisch und sozial schwierigen Lebensumständen zu unterstützen. In naher Zukunft sollen weitere „Aktionstage“ ins Leben gerufen werden, beispielsweise für sozialbenachteiligte Kinder in Gerolstein und Umgebung und für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.

 

Für die optimale Ausstattung solch wertvoller Projekte müssen Spendengelder einfließen.  Der Verein freut sich daher über jede zweckgebundene Spende zum Thema „Reitprojekt / tiergestützte Interventionen“.

Das Spendenkonto lautet: Reisportverein Gerolstein e.V., IBAN: DE38 5865 1240 0000 4874 88, Kreissparkasse Vulkaneifel.

Es wäre wünschenswert, wenn das deutsche Bundesministerium für Gesundheit den therapeutischen Nutzen anerkennen würde und die Therapie auch als verordnungsfähiges Heilmittel  geführt würde. In der Schweiz zahlt die Krankenkasse die Therapie.

 

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