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Gerolsteiner Heinz Nikolaus Rieken. „Ermordet 29.1.1941, Aktion T4 wird nicht vergessen werden!

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Weit über hundert   Menschen waren am 02.04.2025 an der Erlöserkirche in Gerolstein zusammengekommen, um ein Zeichen zu setzen. Darunter viele Jugendliche der BBS Gerolstein, des Sankt Matthias Gymnasiums, Hubertus-Rader-Schule  und der Westeifel-Werkstätten.  

Als Appell gegen das Vergessen wurde in Zusammenarbeit mit dem Forum Eine Welt ein weiterer Stolperstein in Gerolstein angelegt. Es ist der Vierzehnte. Erinnern wird er an das grausame Schicksal von Heinz Nikolaus Rieken. „Ermordet 29.1.1941, Aktion T4“ lautet seine Inschrift. Projektkünstler Gunter Demnig setzte den Stein vor der Erlöserkirche um an die Geschichte eines Menschen zu gedenken, der den ‚Krankenmorden‘ des Naziregimes zum Opfer fiel.

Neben einem Efeu-Kranz und weißen Rosen, hatten Mitarbeitende der Westeifel-Werkstätten weiße Luftballons mitgebracht.

Familienangehörige Edelgard Metzler hatte ein Foto von Heinz Nikolaus Rieken dabei. Es zeigte ihn als Kleinkind im Alter von drei bis vier Jahren. Der „Heinzchen“ genannte Heinz Nikolaus Rieken war ein Cousin von Edelgard Metzlers Mutter Marlies. Gemeinsam mit ihrer Cousine Brigitte Pfeil-Amann hatte sie die traurige Geschichte des Jungen recherchiert, der 1941 als erst Zwanzigjähriger in Hadamar verstorben war. Dort waren im Dritten Reich unter dem Begriff „Aktion T4“ Menschen gezielt getötet worden.

In bewegenden Worten schilderte Edelgard Metzler Details aus dem Leben des Ermordeten.

Heinz kam am 20. Juli 1920 in Gerolstein zur Welt. Seine Eltern waren die aus der Gerolsteiner Mühlenfamilie Pfeil stammende Maria und Georg Heinrich Rieken. Nach dreijähriger Ehe trennten sich die Eltern und die Ehe wurde annulliert. Maria nahm ihren Mädchennamen wieder an, war nun alleinerziehend und arbeitete als Köchin, auch an Orten außerhalb ihrer Heimatstadt. Weshalb Heinz von seiner Oma Luise in Gerolstein versorgt wurde. Später als andere Kinder lernte Heinz laufen und sprechen. Sprache und Beweglichkeit waren eingeschränkt. Ursache war vermutlich eine Gehirnhautentzündung. Die Großmutter konnte sich vermutlich nicht mehr ausreichend um ihn kümmern. Heinz kam deshalb in eine von Waldbreitbacher Franziskanern betriebenen Pflegeeinrichtung St. Josephshaus in Hausen im Westerwald. Wenige Wochen vor seinem 16. Geburtstag wurde Heinz Nikolaus Rieken im Juni 1936 in die hessische Landesanstalt Weilmünster und von dort aus im Januar 1939 weiter in die Landesanstalt Eichberg bei Eltville verlegt. Beide Einrichtungen waren überbelegt. Es mangelte an Versorgung der Kranken in Bezug auf Fürsorge, Verpflegung und Hygiene. Am 29. Januar 1941 wurde Heinz zusammen mit weiteren 71 Frauen und Männern in die Gasmordanstalt Hadamar gebracht.

"Es ist uns ein Herzensanliegen, dass unser Familienmitglied Heinz Nikolaus nicht vergessen wird“, erklärt Edelgard Metzler "Auch ist es uns wichtig, dass sein Schicksal uns ermutigt, alles uns Mögliche zu tun, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Es schmerzt, dass das Gedankengut der  Eugenik als Grundlage der Tötungen im Dritten Reich heute wieder öfter geäußert wird.“

Mit ihrem Wunsch einen Stolperstein für „Heinzchen“ hatte sie bereits 2012 Kontakt zum Forum Eine Welt aufgenommen. Helmut Blinn und der Verein unterstützen das Anliegen.

Laut Frank Kerner, Beigeordneter der Verbandsgemeinde Gerolstein, hatte auch die Stadt den Stolperstein befürwortet und einen ganz besonderen Platz ausgewählt. Da Riekens genauer Wohnort nach 100 Jahren nicht mehr genau zu lokalisieren sei, habe die Evangelische Kirchengemeinde dem Verlegeort vor der Erlöserkirche zugestimmt. „Es ist eine gute Stelle mit Blick auf die vielen Passanten, darunter auch auswärtige Besucher und Berufsschüler, die täglich diese Stelle passieren."

 

 

Infobox: (Quelle: Dr. Brigitte Pfeil-Amann, Kassel)

„Aktion T4 ist die nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für den systematischen Massenmord an mehr als 150.000 geistig, seelisch oder körperlich beeinträchtigten Menschen allein in Deutschland (europaweit waren es etwa 275.000). Dabei steht T4 für die Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo die „Rassenhygiene“ von Herbst 1939 bis Sommer 1941 orchestriert wurde. Eine der sechs Tötungsanstalten war im hessischen Hadamar. Dorthin wurden zur Ermordung vorgesehene Frauen und Männer aus Pflegeeinrichtungen verlegt und zumeist noch am Tag der Ankunft in die Gaskammer geschickt und anschließend vor Ort eingeäschert. Etwa zwei Wochen nach der Ermordung erhielten die Angehörigen die Todesmitteilung. In „Trostbriefen“ wurden die vorgeblichen Umstände des plötzlichen Todes geschildert und Formulierungen gewählt wie, der Tod sei „eine Erlösung“ gewesen. Zur Vertuschung der wahren Todesumstände erhielten die Angehörigen eine Sterbeurkunde des Sonderstandesamtes der Anstalt, in der neben der falschen Todesursache auch ein falsches Sterbedatum angegeben war. Wenn die Angehörigen es wünschten, sandte man ihnen eine Urne zu, wobei keinerlei Wert darauf gelegt wurde, die „richtige“ Asche an die Hinterbliebenen zu übergeben.“

 

 

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