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‚Verrücktes‘ Holz im Gerolsteiner Winterwald

Erstellt von Clara Zins-Grohé | |   Startseite gerolstein.org  Gerolstein & Stadtteile  Wohnen & Leben
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Clara Zins-Grohé

von unserer Redakteurin Clara Zins-Grohé

Gerolstein ist einer der größeren Waldbesitzer in Rheinland-Pfalz. Das  Forstamt betreut insgesamt rund 16.000 Hektar Staats- Gemeinde und Privatwald. Die Waldflächen sind in 9 Forstreviere untergliedert, davon eines Privatwaldbetreuungsrevier.  Der Jahresholzeinschlag  beläuft sich auf rund 95.000 Erntefestmeter. Für 7.500 Kubikmeter davon ist Förster Ewald Michels zuständig. „Unser Forstrevier betreut insgesamt rund 1700 Hektar Staats-, Gemeinde- und Privatwald“, erklärte Michels. „Vor Jahrzehnten bestand unser Stadtwald zu 60% aus Nadel- und 40 % aus Laubbäumen – dies hat sich inzwischen umgekehrt“.

Für Ewald Michels und seine Kollegen hat der aktive Schutz des Waldes Priorität. Ein gesunder Wald ist ein natürlicher Wasserfilter und Speicher, sorgt für sauberes Grundwasser. Im Projekt Gerolsteiner Zukunftswald geht es um Aufforstung und um Erhaltung von oft mehreren Hundertjahre alten Bäumen. Alte Eichenkronen benötigen besondere Pflege. „Zukunftsbäume, (Anmerkung: auch Z-Bäume genannt) dürfen nicht beschädigt werden. Es darf überhaupt nichts zum Nachteil besonderer Schutzgebiete unternommen werden“, so Ewald Michels. Darin sind sich auch alle Verantwortlichen der Brunnenstadt einig.

 Das gefällte Holz muss irgendwie aus dem Wald heraus geschafft werden.

Wie dies vonstattengehen kann, sehen wir uns bei einem Ortstermin im Gerolsteiner Stadtwald in Nähe des Eichenplatzes an.

Michels Vorschlag, ein Holzrückepferd in sensiblen Gebieten einzusetzen, ist im städtischen Ausschuss auf offene Ohren gestoßen, denn er weiß, wovon er spricht.

Als leidenschaftlicher Reiter besitzt der Forstingenieur zusätzlich langjährige  Praxis-Erfahrung mit Holzrückepferden.  „So ein ‚tierischer‘ Arbeitseinsatz vermeidet Bodenverdichtungen, wie sie durch Einsatz tonnenschwerer Forstmaschinen zwangsläufig entstehen. Es wird kein Boden verdichtet“, erklärt er. „Ökologisch empfindliche Böden werden geschützt, denn das Pferd zieht die Stämme bodenschonend  als Vorlieferer zu den Rücke-Gassen, von denen jede zweite damit eingespart werden kann. Wenn jede zweite Fahrlinie der Holzvollernter nicht mehr benötigt wird, erhält der Wald sogar einen Teil seiner Fläche zurück.“

Pferde verursachen – im Gegensatz zu den lauten und schweren Harvestern, wie man die Holzernte-Maschinen auch nennt – praktisch keinerlei Waldschäden. Sie können auch auf unwegsamen, schlecht zugänglichen Gelände eingesetzt werden. Sie arbeiten leise und hinterlassen keine Rückstände wie Öl oder Benzin.

Ziel der Maßnahme ist es, das Althergebrachte, das sich bewährt hat, mit dem Modernen zu verbinden.

Nach einem kurzen Fußmarsch durch den verschneiten Winterwald stehen wir vor Julia Zenner und Moritz, ihrem imposanten Brabanter. Der siebenjährige Pferderiese wiegt ca. 950 kg und hat ein stattliches Stockmaß von 1,72 m. Der massive, muskulöse Körperbau strahlt Autorität aus. Gleichzeitig beeindruckt er durch enorme Gelassenheit. Kaltblutpferde haben von Natur aus gute Nerven. Auch Moritz lässt sich nicht durch die lauten Geräusche der nahen Motorsägen oder Zuschauern aus der Ruhe bringen.  Heute begann der Arbeitstag bereits um 5.00 Uhr. Nach Frühstück beziehungsweise Futter, Fell- und Stallpflege ging es mit dem Hänger von Blankenheim aus zum Gerolsteiner Einsatzgebiet.

Julia Zenner erzählt, wie gerne sie im naturnahen Wald arbeitet – aber nicht nur dort, sondern sie besucht mit ihren Pferden auch Wettkämpfe. Sie gehört zu Deutschlands Besten!  Bei den Deutschen Meisterschaften (IGZ) der Interessengemeinschaft der Zugpferde im September wurde Geschick und Gleichklang zwischen Mensch und Pferd auf die Probe gestellt. Im Rücke-Parcours erreichte Julia Zenner den 4. Platz. Als Ausbilderin arbeitet sie außerdem und bietet Holzrücke-Kurse  an. Wie in früheren Zeiten Holzwirtschaft betrieben wurde, zeigt sie im Frühjahr im Freilichtmuseum Kommern bei Vorführungen.

 

Worauf kommt es bei einem Rückepferd an?

Zenner erklärt: „Nicht jedes Pferd ist für solch eine schwere Arbeit geeignet. Es kommt auf das richtige Exterieur und  Interieur an“. Neben muskulösem Körperbau sind auch Belastbarkeit, Zugwilligkeit, Zugfestigkeit und ein ruhiger, ausgeglichener Charakter erforderlich. Moritz hat alle diese Eigenschaften.

 

„Mal hü, mal hott sagen“

Zwischen Moritz und Julia gibt es keine Kommunikationsprobleme. Die beiden sind ein eingespieltes Team, das sich voll vertraut.

Der Kaltblüter  lässt sich sehr gut mit kurzen stimmlichen Fuhr-Kommandos dirigieren.   Ein kurzes „Hü“ und er steht, bei „Hott“ geht es nach rechts, bei „Ha“ nach links…um nur einige der vielen Befehle zu nennen, die der Siebenjährige beherrscht. Seine mehrjährige Ausbildung begann schon im Fohlenalter. Bis ein Mensch-Pferd-Duo sich als Kollegen auf den Weg zur Waldarbeit machen kann, ist es ein weiter Weg. Erziehung und gutes Futter, Bewegung und Freizeit im ausgewogenen Maß, Sozialverhalten und eine besonders enge Bindung sind Grundvoraussetzungen um zu einem leistungsstarken Team zusammenzuwachsen.

Stamm für Stamm ziehen Moritz und Julia stundenlang die gefällten Buchen, die als Brennholz Verwendung finden sollen, mithilfe von Ketten zu den Poltern (so nennt man Holzsammelplätze).

Moritz umläuft dabei viele Hindernisse aus stehendem Holz und sucht trittsicher den kürzesten Weg durch das unwegsame Gelände mit Baumstümpfen, Wurzeln, Mulden, Steinen und Geäst. Julia geht mit der Leine in Händen hintendran, stets alles im Blick. So geht es bergauf – bergab im unwegsamen Gelände.

Für diese schwere und nicht ganz ungefährliche Arbeit gebührt ihnen Sympathie und Respekt, denn in jeder Handvoll geschonten Waldboden leben mehr Organismen, als es Menschen auf der Erde gibt.

 

Rückkehr der Rückepferde in Eifelwälder

Durch den Klimawandel steht der Wald unter Stress. Eine Rückbesinnung auf die Tradition der Zunft des Holzrückens mit Pferden,  ist ein Fortschritt zur Rettung der Wälder. Auch der Großvater des Verbandsbürgermeister Böffgen aus Gerolstein besaß früher so ein edles Arbeitspferd. Nach Verdrängung durch High-End-Holzerntemaschinen steht die Forstwirtschaft heute vor einem begrüßungswerten Wendepunkt.

 

Tier und Technik Hand in Hand

„KLIMASCHUTZ IST WALDSCHUTZ – die Devise des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten in Rheinland-Pfalz wird in Gerolstein durch die effiziente Kombination von Maschinen mit Einsatz von Holzrückepferde in unserer nachhaltig gestalteten Forstwirtschaft optimal umgesetzt“, bestätigt Stadtbürgermeister Uwe Schneider. „Das Konzept dazu wurde in unserem Forst-, Wege- und Umweltausschuss vorgestellt und wir alle plädieren für die Umsetzung aller Schutzmaßnahmen zum Wohl der Waldflächen!“

 

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Clara Zins-Grohé
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