Wir haben uns hier versammelt, um gemeinsam den Volkstrauertag zu
begehen. Ein Tag des Erinnerns, des Gedenkens und des Innehaltens.
Albert Schweitzer, ein Friedensnobelpreisträger, hat einmal gesagt:
„Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens.“
Der Volkstrauertag ist ein Blick zurück, ein Blick in die Vergangenheit –
ein Blick auf Soldatengräber. Er ist den Opfern der Kriege und der
Gewaltherrschaften gewidmet. Jedoch soll er auch in der Gegenwart
zum Frieden mahnen.
Wir alle haben uns aus diesem Grund hier auf dem Ehrenfriedhof der Stadt Gerolstein
eingefunden. Ich freue mich sehr, dass Sie alle heute dabei sind.
Am Volkstrauertag gedenken wir der Toten, die Kriege und
Gewaltherrschaft aller Völker und Nationen gefordert haben. Wir
erinnern uns an die Soldaten, die kriegerischen Auseinandersetzungen
zum Opfer gefallen sind, wir trauern um zivile Opfer und um die Opfer
von Massakern und Völkermorden. Wir denken an die Toten, die ihr
Leben lassen mussten, weil sie gegen die Herrschaft von Diktatoren
aufbegehrt haben. Und wir denken an all die menschlichen Schicksale,
die aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen und
Gewaltherrschaft zu beklagen sind. Wir gedenken der Verwundeten an
Körper und Seele, der Misshandelten, der Vergewaltigten, der
Missbrauchten. Wir denken an all diejenigen, deren Familien grausam
auseinandergerissen wurden, die Angehörige verloren haben und deren
Leben aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse nie mehr so sein wird wie
es vorher war.
Und wir denken auch an die, die von verantwortungslosen Machthabern
in aussichtslose Kämpfe geschickt wurden, in denen sie ihre Gesundheit,
ihre Jugend, ihre Unschuld und ihr Leben verloren haben.
Denn es sind nicht die Zahlen, Daten und Fakten, die uns aufrütteln.
Diese schaffen eine Distanz, hinter die wir uns unbeteiligt zurückziehen
können. Es sind die menschlichen, die persönlichen Schicksale, die uns
berühren und zum Nachdenken bringen.
Mit Blick auf die aktuelle Situation, die täglichen, dramatischen und
weltbewegenden Ereignisse in der Ukraine und im Nahen Osten, die
vielen Toten, die diese Kriege jeden Tag fordern, lassen nicht lange die
Notwendigkeit und die Aktualität der traditionellen Kranzniederlegung am
Volkstrauertag überlegen.
Bei meiner Vorbereitung fand ich ein bemerkenswertes Zitat des
damaligen Reichstagspräsidenten, Paul Löbe. Er hielt die Rede bei der
ersten offiziellen Volkstrauertags-Feier – und erklärte einmal: „Es
müssen Gesetze geschaffen werden, durch welche die für einen
Kriegsausbruch verantwortlichen Diplomaten und Journalisten
gezwungen würden, als erster in die Schützengräben zu gehen.“ Wie viel
hat sich eigentlich bis heute geändert? Der Name - damals hieß der
Volkstrauertag noch „Heldengedenktag“. Nicht geändert hat sich, dass
die Verantwortlichen für Kriege nur selten zur Rechenschaft gezogen
werden.
Umso wichtiger ist es, das Gedenken aufrechtzuerhalten. Ein Gedenken
der Opfer von Krieg und Gewalt. Wir wollen gleichzeitig mahnen, dass
die Versuchung, Gewalt an Stelle von Verständnis und Vernunft treten
zu lassen, nur in einem menschlichen Fiasko enden kann. Dieses
Gedenken ist leider nicht mehr selbstverständlich, da es immer weniger
Zeitzeugen der beiden Kriege des letzten Jahrhunderts gibt. Gleiches gilt
für betroffene Familien und Angehörigen, denn bis zuletzt gab es eine
lange Friedenszeit in Mitteleuropa wie noch nie zuvor. Wir müssen
wieder Tag für Tag an dem Frieden arbeiten und alles dafür tun, dass
Hass und Fremdenfeindlichkeit, dass Krieg und Terror bei uns keine
Chance haben kann. Gerade heute, wo auch rechte Kräfte die dunklen
Seiten der deutschen Geschichte nur allzu gerne relativieren wollen, ist
es wichtig, sich zu erinnern! Nur wer sich erinnert, kann aus der
Vergangenheit lernen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Deshalb
verdient es jede Geschichte, erzählt zu werden, und jedes Opfer verdient
es, dass man sich seiner erinnert. Lasst uns neben unseren Gefallenen
auch der Toten und Verletzten der letzten Terroranschläge und den
Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten gedenken, wenn wir gleich
den Kranz vor dem Ehrenmahl ablegen.
Frieden schätzt man meist erst richtig, wenn er nicht mehr da ist. Lasst
es uns nicht dazu kommen.
Ich möchte es zu einer einfachen und klaren Botschaft
zusammenfassen: Lasst uns uns gemeinsam dafür einsetzen aus der
Vergangenheit zu lernen und die Zukunft demokratisch, weltoffen,
tolerant und gegen Krieg, Fremden- und Rassenfeindlichkeit zu
gestalten!
Erlauben sie mir bitte noch meine Gedanken zum heutigen
Volkstrauertag mit einer Weisheit der Mohawk-Indianer zu beschließen.
Diese waren nämlich der Überzeugung, dass
: Friede nicht das Gegenteil von Krieg bedeutet.
: Das Friede nicht der Zeitraum zwischen zwei Kriegen ist.
: Friede ist mehr.
: Friede ist das Gesetz menschlichen Lebens.
: Friede ist dann, wenn wir recht handeln und
: wenn zwischen jedem einzelnen Menschen und jedem Volk
Gerechtigkeit herrscht.
Ich darf mich vorab bei Ihnen ganz herzlich für Ihre Teilnahme an der
Gedenkfeier bedanken und wünsche Ihnen Allen einen schönen
Sonntag, später dann einen sicheren Heimweg und vor allen Dingen:
Bleiben sie gesund.
-Vielen Dank-
2. Worte zur Totenehrung:
„Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, Kinder,
Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken
der Soldaten, die in den Weltkriegen starben,
der Menschen, die durch Kriegshandlungen
oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene
und Flüchtlinge ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer,
die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten,
einer anderen Rasse zugerechnet wurden
oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als
lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen,
weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft leisteten, und derer,
die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung
oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage,
um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung,
um die Bundeswehrsoldaten und andere Einsatzkräfte,
die im Auslandeinsatz ihr Leben verloren.
Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt
Opfer geworden sind.
Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus,
Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.
Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten und teilen ihren
Schmerz.
Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung unter den Menschen
und Völkern, und Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen
zu Hause und in der ganzen Welt