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Ansprache Stadtbürgermeister Uwe Schneider zum Gedenktag der Widerstandskämpferin Marcelle Dorr

Erstellt von Stadtbürgermeister Uwe Schneider | |   Webseite Stadt Gerolstein  Startseite gerolstein.org  Webseite Partnerstadt
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Sehr geehrte Gäste aus Frankreich,

sehr geehrte Mitwirkende im Arbeitskreis „Gedenkstein Marcelle Dorr“,

liebe Freunde vom Förderverein Städtepartnerschaften,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

vor etwas mehr als vier Jahren – anlässlich der Enthüllung der Gedenktafeln hier an dieser Stelle – überschrieb der Trierische Volksfreund seinen Bericht mit der Schlagzeile:                   „Andenken an eine tapfere Frau“.
Und in besonderer Weise geht es heute wieder um dieses Andenken: Denn vor einigen Tagen jährte sich der Todestag von Frau Marcelle Dorr zum 80. Male.
Wir erinnern uns, dass Frau Dorr nach ihren Verurteilungen als Widerstandskämpferin und als  Inhaftierte in Flussbach für Zwangsarbeit nach Gerolstein kam. Ihre Gesundheit war durch brutale Misshandlung so schwer geschädigt, dass sie trotz der Bemühungen des Gerolsteiner Arztes Dr. Luy am 19. 11. 1943 im Gerolsteiner Krankenhaus verstarb.
Ihre Leidensgeschichte beinhaltet eine Besonderheit, die ich heute besonders würdigen möchte:  Sie setzte in Gerolstein ein Zeichen für Menschlichkeit und Aussöhnung.
In ihrer Zeit in Gerolstein entstanden nicht nur Freundschaften mit der Ordensschwester Ludomira, der evangelischen Küsterin Schwester Edmée Adrianyi sowie mit Gertrud Becker, der späteren Gerolsteiner Malerin. Sie war Teil eine ganzen Netzwerks gegenseitiger Unterstützung in Gefangenschaft und Leiden, in der auch etliche Menschen aus Gerolstein eingebunden waren. So berichtete Dr. Luy später davon, dass sie sich während ihres Aufenthaltes im Krankenhaus – trotz ihrer schweren Erkrankung - um andere Patienten gekümmert und den Schwestern bei ihrer Arbeit geholfen habe.


Deshalb dient das Andenken an diese tapfere Frau nicht nur ihrer Widerstandsarbeit als
Fluchthelferin in Nancy – unter Einsatz ihrer eigenen Lebens. Der französische Staat ehrte ihren Mut mit posthumen Auszeichnungen, die auch hier auf der Ehrentafel aufgeführt sind.         Ihre außergewöhnliche Bereitschaft zu menschlicher Zuwendung nach den schlimmen Erfahrungen als Strafgefangene und Zwangsarbeiterin in  Nazi-Deutschland gilt uns als Auftrag, niemals die Mitmenschlichkeit zu vergessen und immer die Möglichkeit einer Aussöhnung zu sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde,

wir alle empfinden bei der Erinnerung an die Leiden im Zweiten Weltkrieg, wie uns heute die schrecklichen Bilder von Gewalt und Tod  aus der Ukraine sowie Israel und Palästina bedrängen und erschüttern. Es fällt uns schwer, aber  wir dürfen uns davon nicht entmutigen lassen! Trotz unserer Gefühle von Hilflosigkeit, Unverständnis und auch Zorn müssen wir uns für das Ziel friedlicher Lösungen weiter einsetzen. Wir sollen und wollen uns erinnern, aber nicht in den Erinnerungen verharren, sondern daraus unser Bemühen um Beistand, Mitgefühl und  friedliches Miteinander ableiten und beharrlich daran festhalten.
Wir denken heute auch an die vielen Kinder, Frauen, Männer,  die in vielen Ländern unserer Welt durch Krieg und Terrorismus sterben und unter Gewalt, Geiselhaft und unmenschlichen Einschränkungen leiden müssen.
Vor diesem uns alle bedrückenden und aufwühlenden Hintergrund wollen wir uns auch an
die 64 Kriegstote erinnern, für die ebenfalls Gedenktafeln hier angebracht wurden:
Kriegsgefangene, abgestürzte Piloten, politische Gefangene, Ostarbeiterinnen und deren Kinder sowie Zwangsarbeiter und –arbeiterinnen.
Die Mahnung, sich für Frieden, Menschlichkeit und Aussöhnung einzusetzen, darf nicht verstummen. Nachher wollen wir auf dem Ehrenfriedhof auch der vielen Toten des Zweiten Weltkriegs in Gerolstein gedenken – und mit ihnen allen anderen Opfern von Kriegen und  Terrorismus in unserer Zeit.
Zu diesem Gedenken möchte ich Sie alle auch ganz herzlich einladen.

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