Ist die ‚fünfte Jahreszeit‘ vorbei, sehnen sich die Menschen nach Sonnenlicht und Wärme. Die Natur erwacht langsam aus dem Winterschlaf. Frühlingsgefühle werden geweckt. In Eifeldörfern praktiziert man alte Feuer-Bräuche, deren Ursprünge in heidnischen/keltischen Zeremonien vermutet werden und die vom Christentum übernommen wurden.
Den ersten Sonntag nach Fastnacht nennt man auch Funkensonntag, denn die Funken sollen sprühen beim Hüttenbrennen, Burgbrennen, bei Burgfeuer oder Radschiewele – lichterloh, umso besser! Je nach Dialekt spricht man von: Schoof-, Schoaf-, Scheif- oder Scheefsunnech. Unter Scheef versteht man einen Strohbund.
Markus Hetzius ist seit 2014 – also in diesem Jahr schon 10 Jahre – Ortsvorsteher in Gees. Er erklärt: „In Gees trifft man sich am ‚Scheewensamstag‘! Hier im Dorfgemeindehaus sind Einheimische und Gäste willkommen. Bei uns wird zur Wintervertreibung ein Feuerrad den Berg hinunter gerollt. Mit Rad symbolisiert die lebensspendende Frühlingssonne. Der Winter wird verbrannt. Mit ‚Radscheewen‘ soll ein guter Sommer heraufbeschworen werden.“
„Je besser es die Baarley herunter läuft – umso besser wird der Sommer“, erklären die jungen Männer, die für die Vorbereitungen zuständig sind. Mitmachen dürfen nur Geeser Junggesellen – weil 2024 aber ein Schaltjahr ist, hätten auch Junggesellinnen aktiv hier mit dabei sein dürfen. Leider ist aber keines der Mädels gekommen. So bleibt das Herstellen des Strohrades Sven Leyendecker, Leon Bartling, Kai Schreiber, Marvin Pete, Tobias Heinzen, Thomas Hetzius und Robert Ilchuk überlassen. Seit 26 Jahren darf Oliver Bartling nur noch zusehen und gibt Tipps. Vor der Eheschließung hat er immer und jahrelang gerne geholfen. Einige Zuschauer sind enttäuscht, dass keine Jungesellinnen heute dabei sind. „Ihnen bleibt im Mai (nur im Schaltjahr) noch eine andere Aufgabe. Es ist Brauch dem Liebsten einen kleinen Maibaum, eine mit bunten Bändern geschmückte Birke ans Haus zu setzen“, erklärt Hobbyfilmer Herbert Jardin, der auch schon für das RLP Landesarchiv Aufnahmen zur Verfügung gestellt hat. „In Gees ist es üblich, am Vorabend vor dem Laufen des Feuerrades und am Vormittag im Dorf den Lohn einzufordern. Die jungen Männer gehen dazu - Traditionslieder singend - von Haus zu Haus und sammeln rohe Eier ein“, berichtet er weiter.
Vor dem Gemeindehaus wartet schon ein schweres, eisernes Rad, um sorgfältig mit Stroh gestopft zu werden. Früher wurden Garben, das sind Bündel von geschnittenen und gebundenen Getreidehalmen, verwendet. In der heutigen Zeit stehen handgefertigtr Ährenbündel nicht mehr zur Verfügung. Deshalb werden zu zweit geschickt ‚Würste‘ aus Stroh gedreht. Das Rad soll ja lichterloh den ganzen Weg von der Bergspitze bis hinunter ins Tal brennen.
Im Saal selbst ist für einen Umtrunk mit Dorfbevölkerung und Gästen alles vorbereitet. Adele Selig, Helga Weber und Ulrike Hetzius pflegen eine weitere Tradition: Die Beköstigung mit frisch gebackenen ‚Heedelich Kooche‘. Aus Buchweizenmehl, Salz und Natron und Sprudel werden duftende, dünne Pfannenkuchen gebacken. „Früher haben die Köchinnen dafür den eigenen Geeser Drees zur Herstellung benutzt – doch mit Gerolsteiner Sprudel gelingt der Teig auch,“ erklärt Monika Oehmen-Pohs. Perfekt schmecken sie mit Zuckerrübensirup (auch Rübenkraut oder Schlachmundes genannt) bestrichen. Schnell bildet sich eine Schlange vor der Ausgabe an der Küche. Es sind doppelt so viele Gäste wie Geeser gekommen, und niemand will sich dieses frühere „Arme-Leute-Essen“ entgehen lassen. Unter ihnen sind auch Robert Schlappal und Rolf Hahn, Wikipedia-Autoren und Fotografen aus Köln. Ähnliches kennen die Beiden als französische Spezialität. An ‚Galettes Bretonnes‘ erinnern sie die Geeser ‚Heedelich Kooche‘. (Das handgeschriebene Original-Eifler-Rezept siehe Bilderstrecke Volksfreund).
Ein Ehepaar vom Niederrhein und eine junge Reiseverkehrskauffrau aus Spangdahlem sind extra angereist: „Wir wollen einfach mal Live dabei sein!“ Der jüngste Dorfbewohner des Festes ist Janis Oehms (4 Jahre). Mutter Susanne legt großen Wert darauf, dieses Event nicht zu verpassen. Sie erzählt vom früheren, alljährlichen Scheewen Sunnech-Traditionsessen bei den Großeltern Sanni und Martin Kuhl. Nach und nach trudeln auch die in Gerolstein gestarteten Wanderer des Eifelvereins unter Leitung von Helga Juchems ein. Brauchtumswanderungen sind sehr beliebt. Im Gerolsteiner Amtsblatt hatte der Verein auf Seite 1 zum „Winter verbrennen“ am Samstagnach Gees und Kooche Sunnich nach Walsdorf (am Goßberg) eingeladen. Viele Eifelorte machen pünktlich Glockenschlag 19.00 Uhr mit. Zum Beispiel in Kopp will man die alte Tradition das „Strohbärenfeuer“ auf dem Hundsberg (Petersfelder) auf der Wegeparzelle der Gemeinde entzünden. In Steffeln führen vier kräftige Jungesellen am Vorabend des ersten Fastensonntags ein hell loderndes Rad an einer Deichsel vom Steffelsberg talwärts hinunter. In Stadtkyll wird am ‚Burgsonntag‘ „Auf dem Hasenberg“ ein Burgfeuer abgebrannt. Heißt es bei der Jugendfeuerwehr in Neroth: „Das Feuerrad erreicht das Tal!“, ist auch dort das Jahr gerettet und jegliches Unglück für 2024 abgewendet.
Mit Einbruch der Dunkelheit wird das zentnerschwere Strohrad auf den Berg Baarley geschafft. Die jungen Männer entzünden ihre Pech-Fackeln und folgen singend den steilen Hang hinauf. Zuschauer verfolgen die Lichter der Männer bald nur noch als helle Punkte, die immer höher und höher den Hang hinauf steigen. Und dann sieht man ein großes, rundes Feuer, dass sich plötzlich mit Feuerschweif durch eine Schneise abwärts in Bewegung setzt. Das Rad hat sich mit großem Tempo Richtung Tal gewälzt und es hat die Spur gehalten: „Es ist schön gerollt – das wird ein gutes Jahr“, ist der Kommentar eines der Zuschauer aus dem Dunkel. Jetzt wird die brennende Spur ausgeschlagen. Die Arbeit ist getan. Mit dem Lied: „Ei lustich Jäser Jungen dat sinn mir“ geht es zurück ins Gemeindehaus. Nach dem Radscheewen werden die gesammelten Eier mit Speck dort verzehrt und sich fröhlich mit Eifel-Spezialitäten zugeprostet. Ortsvorsteher Markus Hetzius bedankt sich bei allen Helferinnen und Helfern - ganz besonders für jahrzehntelange Unterstützung bei Helga und Alfred Weber aus Gees - die sich immer für das Allgemeinwohl eingesetzt haben.